PM: Zentrum kritisiert den Abschluss von Zinsderivaten in Höhe von 126 Mio. Euro ohne Information und Beschluss des Rates

Die Zentrumsfraktion kritisiert den Abschluss von Finanzgeschäften der Stadt-Verwaltung mit einer Aktiengesellschaft im Umfang von unglaublichen 126 Mio. Euro. Hinzu kommt, dass die wichtigen politischen Kontrollorgane in Form von Hauptausschuss und Rat weder vorab über den Vertragsabschluss befragt wurden, noch wurde satzungsgemäß Bericht erstattet. Das Zentrum will alle Berichte auf dem Tisch haben, diese Geschäfte stoppen und einen Beschluss fassen, dass die Stadt Dormagen künftig solche Zinsderivate wegen des Ausfallrisikos nicht mehr nutzen darf.

Die Mitteilung vom 24. Juni 2020

Pressemitteilung: Zentrum kritisiert den Abschluss von Zinsderivaten in Höhe von 126 Mio. Euro ohne Information und Beschluss des Rates

Die Stadt Dormagen hat am 20.11.2018 insgesamt 126 Millionen Euro an Zinsderivaten zur Absicherung des Zinssatzes von städtischen Schulden abgeschlossen. Die Laufzeit dieser Geschäfte beträgt stattliche 30 Jahre, der Vertragspartner der Stadt ist die MAGRAL AG. Hierüber wurde nicht -wie bei einem solchem Volumen zu erwarten wäre- der Rat informiert, sondern lediglich der „Arbeitskreis Finanzen“, der aus 7 Politikern besteht, aber keinerlei Entscheidungsbefugnisse oder Vetorechte hat. Die Information über die bereits getätigten Geschäfte wurden dem Arbeitskreis erst im Juli und August 2019 mitgeteilt, also 10 Monate nachdem die Geschäfte in dreistelliger Millionenhöhe bereits abgeschlossen waren.

Die Stadtverwaltung vertritt die Auffassung, dass es sich bei dem Abschluss des Beratungsvertrages mit der MAGRAL AG sowie bei der Durchführung der Finanzgeschäfte „um ein Geschäft der laufenden Verwaltung handelt und ein Beschluss des Stadtrates demnach nicht einzuholen ist“.

Hans-Joachim Woitzik, Fraktionsvorsitzender des Zentrums, hält dieses Vorgehen für skandalös: „Der Beratervertrag mit der MAGRAL AG wurde bereits am 29.04.2015 von Bürgermeister Lierenfeld unterzeichnet. Auch hierüber wurde der Stadtrat nicht entsprechend informiert. Aus unserer Sicht ist die derzeitige Situation unverantwortlich, da die Verwaltung förmlich freie Hand bei der Durchführung solch riskanter Finanzgeschäfte hat. Erschwerend kommt hinzu, dass eine externe Firma Einfluss auf die Entscheidungen nehmen kann, während die Kontrollorgane Hauptausschuss und Rat bei diesen tiefgreifenden Entscheidungen ausgeschlossen sind“.

Die Stadt beruft sich für ihr Handeln auf die Richtlinie zur „Anlage von Kapital der Stadt Dormagen“, welche am 09.12.2014 vom Stadtrat beschlossen wurde. In dieser Richtlinie ist jedoch klar festgelegt, dass eine Gesamtdarstellung der getätigten Geschäfte zum 31.12. eines jeden Jahres an den Rat der Stadt Dormagen und den Hauptausschuss zu erfolgen hat. Hieraus ist klar abzuleiten, dass der Stadtrat hätte informiert und bei den Entscheidungen zu diesen Geschäften auch hätte einbezogen werden müssen.

Die Zentrumsfraktion hat in ihrem Antrag gerügt, dass die Stadtverwaltung bisher ihrer Berichtspflicht nicht nachgekommen ist. Die Stadtverwaltung führt dazu aus: „Die Verwaltung hat keine gesonderte Drucksache zum 31. Dezember 2018 vorgelegt, da der Zeitraum zwischen Abschluss und Bericht zu kurz war“. Die Verwaltung gibt also zu, dass sie gegen die Richtlinie verstoßen hat.

Vor dem Hintergrund des immensen Geldbetrages und der damit verbundenen Risiken für die Finanzen unserer Kommune, ist solch eine Aussage ein absoluter Skandal und an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Was hätte Ende 2018 eigentlich dagegengesprochen, den Rat zumindest in Kurzform darüber zu informieren, dass ein Vertrag sowie Geschäfte im Umfang von 126 Mio. Euro abgeschlossen worden waren, und dass ein detaillierter Bericht beispielsweise in 2 Wochen nachgereicht würde?

Weiterhin gibt die Stadt an, dass im Jahresabschluss 2018 und 2019 ein Anhang mit Angaben zu den derivativen Finanzinstrumenten enthalten ist. In diesem Anhang wird ausgeführt, dass diese Geschäfte „mit hoher Wahrscheinlichkeit“ erfolgreich sein werden. Übersetzt macht diese Formulierung klar, dass es sich hierbei um unsichere Positionen handelt. Mit dieser Art von Geschäften hat die Stadt Dormagen bereits im Zeitraum von 2004 bis 2010 sehr schlechte Erfahrungen gemacht und ist damals einem Millionen-Verlust nur mit Glück entgangen. Auch damals hatte die Beraterfirma ihr Finanzprodukt als nahezu risikolos verkauft.

„Sowohl in den Reihen der Politik als auch bei der Verwaltung der Stadt Dormagen gibt es keinen ausgewiesenen Finanzexperten. Insofern kann niemand wirklich beurteilen, um welche Art von Finanzgeschäften es sich handelt. Die Stadt hat förmlich freie Hand. Durch das mangelnde Fachwissen sind wir der Beratungsfirma mehr oder weniger schutzlos ausgeliefert. Aus diesem Grund haben wir vom Zentrum beantragt, diese Geschäfte umgehend zu stoppen und künftig nicht mehr durchzuführen“, so Hans-Joachim Woitzik.

Es ist überaus verwunderlich, dass die Stadt in der Antwort auf unseren Antrag davon spricht, dass diese Geschäfte nicht risikoreich seien, obwohl sie selbst im Jahresabschluss von Wahrscheinlichkeiten spricht. Selbst der Bundesverband öffentlicher Zinssteuerung spricht in diesem Zusammenhang von einer trügerischen Sicherheit, auf welche sich die Kommunen mit derartigen Geschäften einlassen.

Der Bericht für das Jahr 2019 wurde erst jetzt, offenbar als hektische Reaktion auf unseren Antrag vom 08.06.2020, auf die Tagesordnung der kommenden Ratssitzung gesetzt. Das Dokument wurde übrigens von der MAGRAL AG erstellt und wird in keiner Weise dem Gebot der einfachen Nachvollziehbarkeit gerecht, wie es die Richtlinie der Stadt vorsieht. Die Informationshoheit obliegt also aktuell dem Vertragspartner, der ein Eigeninteresse daran hat, dass die Geschäfte mit der Stadt weiterlaufen.

Hans-Joachim Woitzik stellt fest: „Bei einem derartigen Volumen von unglaublichen 126 Millionen Euro, ist es für mich unabdingbar, dass zunächst der Stadtrat umfassende, verständliche Informationen zu den bereits getätigten Geschäften erhält. Weiterhin sollten zukünftig quartalsweise nachvollziehbare Berichte vorgelegt werden. Wir vom Zentrum setzen uns trotzdem dafür ein, dass Geschäfte mit Derivaten zukünftig explizit für unsere Stadt ausgeschlossenen werden. Außerdem sollte nach Möglichkeiten gesucht werden, das Geschäft zu beenden, wie es vor 10 Jahren bereits geglückt war.

Wie kann es sein, dass solch hoch-komplexe Geschäfte ohne entsprechendes Expertenwissen auf Seiten der Stadt Dormagen getätigt werden? Wieso wurde beispielsweise kein externer Wirtschaftsprüfer eingesetzt, um eine unabhängige Begutachtung vor einem Vertragsabschluss durchzuführen? Warum hat sich die Stadt allein auf die Versprechungen des Verkäufers verlassen, der ein egoistisches Interesse an einem Vertragsabschluss, sowie als Aktiengesellschaft auch an der Gewinnmaximierung hat?

Nochmal zur Verdeutlichung: Wir reden hierbei von Geschäften im Umfang von 126 Millionen Euro!

 

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